Behind the Curtain
Einleitung
Die Gebäudetechnik des "Counter Entropy Houses" ist so konzipiert worden, dass sich das Haus sowohl in Madrid als auch in Aachen perfekt den klimatischen Bedingungen anpasst. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Entwicklung des Gebäudetechnikkonzeptes, ist das Erreichen des Null- Energiehaus Standards.
Im Rahmen des "Counter Entropy" Konzeptes wurde auch bei der Entwicklung des Gebäudetechnikkonzeptes darauf geachtet, dass ein Minimum an Ressourcen benötigt wird.
Das 144 m² große Dach bietet optimale Voraussetzungen zum Erreichen dieser Ziele. Zum einen verschattet es große Teile der Fassadenflächen und zum anderen bietet es die größtmögliche, innerhalb der Wettbewerbsregularien erlaubte Fläche zur Installation von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen. Die Sonne ist im Wettbewerb die einzige zur Verfügung stehende Energiequelle.
Die Photovoltaikanlage dient auf der einen Seite der Produktion des im Haus benötigten Stromes und auf der anderen Seite bietet sie die Möglichkeit für eine Nutzung von nächtlicher Strahlungskühlung.
Während der Wettbewerbsphase in Madrid muss die Temperatur im Haus konstant zwischen 23-25° Celsius liegen. Um diesen Temperaturbereich erreichen zu können sind mehrere Systeme zur Regulierung der Temperatur eingebaut. Zunächst ist hier die Kühldecke zu nennen, die sich über den nachts abgekühlten Tank speist. Durch die Kühldecke wird eine PCM- Dispersion gepumpt. Das zweite System zur Gebäudekühlung ist das Klimagerät. Es kühlt mittels einer adiabatischen Verdunstungskühlung. Daneben ist die Luftfeuchtigkeit direkt einstellbar durch eine sorptive Entfeuchtung. Die Solarthermie-Anlage, die den Warmwassertank mit Wärme speist, liefert auch die nötige Energie zur Regeneration der Sole. Im Gegensatz zur konventionellen Kompressionskältemaschine mit (solar-)elektrischem Antrieb, kann im „Counter Entropy House“ fast komplett auf elektrische Energieströme zur Temperaturregelung verzichtet werden, diese beschränken sich auf die in der Anlage benötigten Ventilatoren und Pumpen. Mit Warmwasser-, Kaltwasser- und Soletanks können die verschiedenen Energieformen zur jeweils optimalen Zeit eingespeichert und genutzt werden – das bedeutet größtmögliche Effizienz.
Photvoltaik
Der Großteil des Dachs ( 77m²) wird mit Photovoltaikmodulen bedeckt. Photovoltaikanlagen wandeln die Energie der Sonnenstrahlen in elektrischen Strom um. Da das Counter Entropy Team sich für nachhaltige Technik einsetzt, werden Dünnschichtzellen verwendet. Diese besitzen zwar einen schlechteren Wirkungsgrad, d.h. können bei gleicher Sonnenstrahlung weniger Strom erzeugen als herkömmliche kristalline Zellen, allerdings ist ihre Produktion deutlich ökologischer. Betrachtet man die gesamte Energiebilanz, also das Verhältnis von Herstellungskosten zu Ausbeute (produzierter Strom), schneiden Dünnschichtmodule besser ab.
Der über die Photovoltaikanlage produzierte Strom reicht nicht nur aus, um das gesamte Haus tagsüber autark zu versorgen. Mit einem Wirkungsgrad von 9,1% und einer installierten Leistung von 6,75 kWp erreichen die Dünnschichtmodule einen Jahresertrag von 8886,6 kWh in Madrid, sowie 5451.3 kWh in Aachen.
Während des Wettbewerbs wird der überschüssige Strom in das Stromnetz eingespeist. Alternativ lässt er sich nutzen um Akkus, z.B. für Elektroautos, aufzuladen und ihn so zu speichern.
Klimagerät und Sorptionskreislauf
Damit das Klima in einem Raum als angenehm empfunden wird, müssen Temperatur und Luftfeuchtigkeit innerhalb eines bestimmten Bereichs liegen. Diese Aufgabe übernimmt eine Sorptionsklimaanlage. In dieser wird Außenluft angesaugt und dann, wenn nötig gekühlt und nach Bedarf be- oder entfeuchtet. Befeuchtet wird die Luft mithilfe von Wasser, welches in den Luftstrom gespritzt wird. Das Entfeuchten geschieht im Absorber über den sogenannten Sorptionsprozess. Hierbei strömt die Außenluft über eine spezielle Salzlösung, auch Sole genannt, welche die Eigenschaft hat, Wasser aufzunehmen und zu binden (Hygroskopie). Wenn die Sole gesättigt ist und kein weiteres Wasser aus dem Luftstrom mehr aufnehmen kann fließt sie in den sogenannten Desorber. Dort wird, mithilfe von Wärme aus den Solarkollektoren, das Wasser aus der Sole verdampft um sie wieder zur Sorption verwenden zu können.
Zum Kühlen wird in die Fortluft, also die verbrauchte Luft, Wasser gespritzt und verdunstet. Dieses stammt aus dem Regenwassertank. Durch den Phasenwechsel, in diesem Fall den Wechsel von flüssig zu gasförmig, nimmt das eingespritzte Wasser Energie aus der Luft auf und die Temperatur sinkt. Dieses Prinzip nennt sich Verdunstungskühlung bzw. adiabate Kühlung. In einem Wärmetauscher wird die Frischluft an der befeuchteten, kühlen Fortluft vorbeigeführt und dadurch heruntergekühlt.
So kann mithilfe der Sorptionsklimaanlage unabhängig vom Wetter das gewünschte Raumklima eingestellt werden. Geheizt wird das Haus über den Warmwasserspeicher der von den Solarkollektoren gespeist wird.
Durch die geschickte Nutzung der Sorption und der im Wasser gespeicherten Wärme braucht das Klimagerät wenig Strom und fügt sich damit hervorragend in das Counter Entropy Konzept ein.
Nächtliche Starhlungskühlung
Neben der Sorptionsklimaanlage besteht die Möglichkeit, das Haus mithilfe der Kühldecke zu kühlen. Durch Rohre in der Hausdecke wird eine PCM-Dispersion gepumpt und nimmt Wärme aus dem Raum auf. Die so erwärmte Dispersion wird in einem Tank gesammelt und nachts wieder abgekühlt. Hierzu wird Wasser auf die Photovoltaikzellen gesprüht, sodass es mit dem Nachthimmel im Strahlungsaustausch steht. Das Wasser gibt seine Wärme über Wärmestrahlung an den Himmel ab und kann so auf niedrigere Temperaturen als die umgebende Luft abkühlen. Über einen Wärmetauscher entzieht das Strahlungskühlungswasser so dem Dispersionstank die Wärme. Am nächsten Morgen ist der Tank wieder mit kalter Dispersion gefüllt um die Kühldecke zu speisen.
Der Effekt der nächtlichen Strahlungskühlung ist am besten bekannt, wenn im Herbst Autoscheiben oder Straßen zufrieren obwohl die Außentemperatur noch über 0°C liegt. Über den Strahlungsaustausch mit dem klaren Nachthimmel wird auch hier ein Wärmestrom senkrecht „schauenden“ Oberflächen übertragen und diese unter die Lufttemperatur abgekühlt.
PCM Dispersion
Als Wärmeträgerfluid für die Kühldecke wird eine sogenannte PCM-Dispersion eingesetzt. Dies ist ein Gemisch aus Wasser und Paraffin, das in diesem Zusammenspiel einen pumpbaren Latentwärmespeicher darstellt. Ein Latentwärmespeicher ist ein Medium, das Wärme bei konstanter Temperatur speichert. Diese Eigenschaft besitzt jeder Stoff bei seinen Phasenwechseln (Phasenwechselmaterial – phase change material = PCM), also von fest nach flüssig und von flüssig nach gasförmig. In unserer PCM-Dispersion ist befindet sich Paraffin, eine wachsähnliche Substanz, die ihren Phasenwechsel von fest nach flüssig bei rund 20°C hat. In diesem Phasenwechsel steckt sehr viel Energie, welche man zur Gebäudekühlung nutzen kann. Da reines Wasser keinen Phasenwechsel im Bereich um die 20°C hat, kann durch die Paraffinzugabe die Wärmespeicherfähigkeit der Dispersion im Vergleich zum Wasser erhöht werden. Ein Liter Dispersion kann also deutlich mehr Wärme aufnehmen als reines Wasser. Durch den Einsatz dieses pumpbaren PCM Materials kann in einem Gebäude somit Energie für Pumpen gespart werden, da mit einem kleineren Volumen mehr Wärme abtransportiert werden kann.
Bislang werden Latentwärmespeicher als statische Bauteile eingesetzt, zum Beispiel laminiert in Trockenbauwänden. Die Dispersion bietet den Vorteil, dass hiermit das System seine Regelbarkeit behält. Das bedeutet, man kann über einen variablen Volumenstrom in einem Flächenkühlsystem ähnlich einer Fußbodenheizung die Kühlleistung erhöhen oder vermindern.
Es uns gelungen, sogar dieses High-Tech Material zu re-usen. Den Paraffinrohstoff für die Dispersion konnten wir aus dem Forschungsbestand einer Klimatechnikfirma beziehen. Die Herstellung der Dispersion übernimmt für uns das Fraunhofer Institut UMSICHT in Oberhausen für uns, die die Grundlagenforschung hierfür betreiben.
Solarthermie
Zusätzlich zur Photovoltaik befinden sich auf dem Dach 13m² Solarkollektoren. Diese bestehen aus Rohren in denen sich das hindurchfließende Wasser erhitzt. Um unabhängig von der aktuellen Sonneneinstrahlung auf warmes Wasser zugreifen zu können, wird das erwärmte Wasser in einem 400l Tank gespeichert. Über diesen werden das gesamte Trinkwarmwasser und die Heizung gespeist. Der Wassertank ist ein sogenannter Schichtenspeicher. Die Dichte von Wasser ändert sich mit der Temperatur. Warmes Wasser ist daher bei gleichem Volumen leichter als kaltes und steigt nach oben. In einem vertikalen Tank lässt sich Wasser mit unterschiedlichen Temperaturen „übereinander“ schichten und so auf jedem gewünschten Temperaturniveau entnehmen.
Kontaktperson
Hendrik Leiwe